Steckt der Bio-Konsument in der Konsumfalle?

Mein Klicktipp: Steckt der Bio-Konsument in der Konsumfalle?

Heute nur ein kurzer Hinweis auf einen Artikel, über den ich kürzlich stolperte und der mich seit meiner Lektüre immer wieder zum Grübeln veranlasst. In dem Interview, dass der ORF, der österreichische Fernsehsender, auf seiner Internetseite veröffentlicht, geht es um das Thema: “Nachhaltigkeit: Warum ‘bio’ oft egoistisch ist”.

Interviewt wird im science.ORF.at-Interview  die Gastprofessorin für Historische Anthropologie an der Universität Innsbruck Gabriele Sorgo. Und das, was sie sagt, macht nachdenklich.

Gesucht: soziale Beziehung – gefunden: Konsum

Es geht zum Beispiel darum, “dass Menschen dass Menschen zwar soziale Beziehungen suchen, diese aber zunehmend durch Konsum ersetzen”.

Gabriele Sorgo sagt dazu: “Ein sehr renommierter englischer Kulturanthropologe, Daniel Miller, hat bereits in den 90er Jahren sehr ausführliche Studien über die Konsumgewohnheiten des unteren Mittelstands und noch ärmeren Familien gemacht. Dabei hat er die täglichen Einkäufe beobachtet, und seine Erkenntnis war, dass diese Menschen mit dem Einkauf vor allem eines bezwecken: soziale Beziehungen zu pflegen. Ich kaufe Schokolade für meine Tochter; weil mein Mann so gerne Sauerkraut isst, kaufe ich das für ihn; dann habe ich noch einen Pulli gesehen, der meinem Sohn gut stehen würde. Es geht um konkrete Fälle der familiären Fürsorge.

Gleichzeitig sind die Waren, die gekauft werden, etwas Fremdes, sie sind entbettet. Denn: Wir kennen ja sehr oft ihren Ursprungsort nicht. Waren gehen durch verschiedene Länder und werden aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt. Diesen entwurzelten Gütern wird dann von der Werbung eine Story umgehängt, damit wir überhaupt etwas damit anfangen können.

Und beim Konsum ist das Wesentliche, dieses Fremde zu integrieren. Bei der Nahrung ist klar, dass ich sie in meinen Körper integrieren muss. Andere Güter muss ich in meine Lebenswelt oder in den Haushalt integrieren. Deswegen ist kaufen laut Miller eine Ent-Entfremdung: etwas Fremdes zu etwas Vertrautem machen. Und das ist schwere Arbeit. Gelingt es nicht, landen die Dinge im Abfall.”

Wie die Konsumlogik auch Bio-Konsumenten in die Falle lockt

Im Weiteren Interview-Verlauf beantwortet die Wissenschaftlerin auch die Frage, wie man denn einen Wertewandel erreichen könnte. Sie sagt unter anderem:

“Es wird vermittelt, dass die Menschen im Interesse der eigenen Gesundheit Bioprodukte kaufen sollen, dann wäre die Welt in Ordnung. Aber das ist keine Erziehung zur Mündigkeit oder zum kritischen Denken. Und es ist genau das, was Labels und Marken vermitteln: ‘Du brauchst nicht nachdenken, kauf dieses Produkt.’ Das bewegt sich trotzdem alles innerhalb dieser Konsumlogik. Was wir aber brauchen, ist eine Kritik am Konsumismus und ein Ende davon.”

Und die Frage “Wie könnte dieser Konsumismus überwunden werden” beantwortet Gabriele Sorgo so:

“Das wird nur durch Reflexion möglich sein. Und dadurch, dass die Menschen erkennen, dass es quasi ein Suchtverhalten ist. Weil das, was sie kaufen, immer nur ein Ersatz für etwas ist und nicht das, was sie wirklich wollen. Gerade beim Essen ist das oft sehr deutlich: Man sucht etwa Trost und isst Schokolade. Dadurch nehmen Abhängigkeiten von verschiedenen Verhaltensweisen schon zu. Ich plädiere dafür, das mit Foucaults Modell vom Dispositiv zu begreifen: Das ist ein systemischer Zusammenhang, aus dem wir sehr wohl aussteigen können. Nur dieser Ausstieg, das Innehalten und Distanznehmen macht uns unabhängig. Weil wir dann entscheiden können.”

Eine lesenswerte Sache, dieses Interview. Nehmt Euch die Zeit!

Foto: Doreen Brumme

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