Ich bin eine echte Kräuterhexe: Immer dann, wenn es gilt, ein Wehwehchen bei mir oder einem Familienmitglied zu heilen, dann versuche ich das als allererstes mit Hilfe eines Krauts. Mit dieser Strategie fahre ich gut. Und deshalb findet man auf meinem Balkon neben Klassikern wie Rosmarin und Thymian auch Salbei. Der hilft nämlich gut gegen Halsweh.
Bei Bauchweh und Magengrummeln ist bei uns neben Fencheltee und Anis-Fenchel-Kümmeltee auch Kamillentee im Einsatz. Ziemlich häufig sogar. Umso mehr bin ich erzürnt über die Nachricht, die dieser Tage durch das Kräuterland zog:
“Krebsgefahr durch Kamillentee?”
So lautet die Frage, mit der die ZDF-Sendung WISO ihren Beitrag am 28. April – übrigens meinem 16. Hochzeitstag – überschrieb. In zugehörigen Text heißt es:
“Kamillentee ist mit krebserregenden Pflanzengiften belastet. Dies ist das Ergebnis einer Stichprobe des ZDF-Verbrauchermagazins ‘WISO’. In 10 von insgesamt 15 Kamillentee-Sorten konnten sogenannte Pyrrolizidinalkaloide (PAs) nachgewiesen werden – teilweise in geringen, aber auch in hohen Mengen. Laut dem Bundesamt für Risikobewertung (BfR) kann dieses Pflanzengift den Organismus schädigen und bei langer und hoher Dosierung Lebertumore verursachen.”
Im Test hatte das TV-Magazin demnach 15 Kamillentees und 15 Fencheltees, die im Lebensmittelhandel sowie beim Discounter, in der Apotheke und der Drogerie erhältlich seien – also dort, wo auch ich Großstadthexe meine Kräuter sammle. Laut WISO seien in den geprüften Fencheltees keine PAs gefunden worden. Puh! Glück gehabt!
Was mich aber besonders ärgert: Die Pyrrolizidinalkaloide im Kamillentee gefährden insbesondere die Gesundheit der Schwächsten: Kinder, Kleinkinder, Säuglinge und Stillende. Betrachte ich meine Familie derzeit, trifft das also auf fünf von uns sechs Familienmitgliedern zu: auf mich, weil ich stille, und selbstverständlich die vier Kids. Dazu müsse man wissen, dass der Kinderkörper nicht in der Lage sein soll, so schreibt WISO weiter, das Pflanzengift auszuschwemmen – er speichere es. Dadurch erhöhe sich das Risiko für Kids, zu erkranken. Es ist WISO zufolge zehn bis einhundert Mal so hoch wie das eines Erwachsenen. Na, Prost!
Wie kommt das Gift in den Tee?
Das Pflanzengift, also die Pyrrolizidinalkaloide, landet im Tee nun aber nicht etwa, weil der Tee während des Anbaus damit gespritzt wird oder es bei der Verarbeitung beigemischt wird. Nein, es stammt aus Pflanzen wie dem Jacobskraut, die als Unkraut zwischen den Teekräutern wachsen. Und da haben wir es wieder: Erntete man kräuterhexenmäßig per Hand die Kamille, so wie ich es als Kind und Jugendliche noch gemacht habe, hätte man reine Kamille im Körbchen. Industriemäßig angebaute Kamille wird entsprechend geerntet – im großen Stil mit Maschinen – und schon hat man eine unerwünschte Zutat im Tee: das Pflanzengift.
Welche Kamillentees waren mit Gift verschmutzt?
Aus der Übersicht von WISO entnehme ich, dass selbst mein Alnatura-Kamilletee in Bio-Qualität nicht frei von Pflanzengift war – zumindest zeigten die Proben das:
King´s Crown Kamille/ Rossmann 563 µg/kg 0,704 µg/Tasse
Alnatura Bio Kamillentee 279 µg/kg 0,419 µg/Tasse
Lebensbaum Kamille Kräutertee Bio 195 µg/kg 0,293 µg/Tasse
Westminster Tea Kamille/ Aldi Nord 136 µg/kg 0,204 µg/Tasse
Penny Kamillen Tee 117 µg/kg 0,176 µg/Tasse
gut & günstig Kamille/ Edeka 73 µg/kg 0,110 µg/Tasse
Teekanne Kamille 71 µg/kg 0,107 µg/Tasse
Lord Nelson Kamille/ Lidl 57 µg/kg 0,086 µg/Tasse
real,- Quality Kamille 50 µg/kg 0,075 µg/Tasse
Westcliff Kamillentee/ Aldi Süd 21 µg/kg 0,032 µg/Tasse
DAS gesunde PLUS Kamillentee/ dm nichts enthalten nichts enthalten
Gesundform Kamillenblüten Tee nichts enthalten nichts enthalten
Meßmer Kamille nichts enthalten nichts enthalten
Salus Kamillenblüten Tee nichts enthalten nichts enthalten
Sidroga Kamillenblüten Heilpflanzentee nichts enthalten nichts enthalten
Berechnungsgrundlage: 1 Aufgussbeutel bzw. 2,5 g Tee pro Tasse unter der Annahme, dass die gesamte Menge an Pyrrolizidinalkaloiden in das Wasser übergeht.
Da lobe ich mir meine kleinen Ausflüge aufs Land, wo ich die Gelegenheit nutze, echte Kamille zu pflücken. So wie bei meinem letzten Urlaub auf Fehmarn (siehe Foto).
Foto: Doreen Brumme