Viele umweltbewusst kaufende Verbraucher greifen am Obststand nach dem regionalen Apfel und lassen ausländische Früchte links liegen. Zu Recht? Ist die Klimabilanz des regionalen Apfels tatsächlich besser als die seines importierten Kollegen? Eine Frage, der ich schon lange mal nachgehen wollte.
Lange Zeit beachtete man bei der Klimabilanz nur die so genannten Food Miles, also den Weg, den ein Lebensmittel bis hin zum Verbraucher zurücklegen musste. Außer Acht ließ man dabei zum Beispiel Anbau, Zucht oder Haltung, Verarbeitung oder die Art und Weise, wie die Produkte transportiert werden – auch vom Verbraucher in die eigene Küche.
Moderne Ökobilanzierung ist komplexer als die Berechnung der Food Miles
Neuere, komplexere Berechnungen der Klimabilanz (Ökobilanzierung) berücksichtigen gerade diese zuvor nicht bedachten Faktoren systematisch: So verglich der Agrarwissenschaftler Dr. Michael Blanke von der Uni Bonn die Energiebilanzen deutscher und neuseeländischer Äpfel miteinander. Er berechnete dazu sowohl die Energie, die für den Anbau der Früchte drauf ging, zum Beispiel für Pflanzenschutz und Düngemittel, als auch die, die für den Weg des Apfels bis zum Regal im Supermarkt nötig war: Zum Beispiel, wie viel Strom die Sortiermaschinen verbrauchten.
Wichtig: Blanke machte eine Frühjahrsberechnung – nur zu dieser Jahreszeit habe der Verbraucher die Wahl zwischen beiden, denn nur in dieser Saison lägen in unseren Obstregalen frische Äpfel aus Neuseeland neben deutschen Früchten. Obwohl: Der regionale, in Deutschland angebaute Apfel hatte bis dahin schon Wochen im Lager hinter sich, denn er wurde im Herbst zuvor geerntet.
Deutscher Apfel verbraucht im Anbau mehr Energie als neuseeländischer
Die Annahme, dass die Klimabilanz des importierten Apfels wohl um ein Vielfaches schlechter ausfallen würde als die des regionalen, widerlegte der Wissenschaftler teilweise: Nach seiner Berechnung verbrauche nämlich der Anbau eines Kilogramms deutscher Äpfel 2,8 Megajoule Energie. Neuseeländische Früchte gleicher Menge benötigten demnach ein Viertel an Energie weniger. Sie kämen bis zur Ernte auf 2,1 Megajoule. Der Grund dafür sei vor allem, dass an deutschen Apfelbäumen weit weniger Früchte reiften als an neuseeländischen.
Importweg des neuseeländischen Apfels produziert mehr CO2-Emissionen als Transportweg des deutschen Apfels
Nach Berechnung der Energie, die für das Zurücklegen des Weges der Äpfel vom Baum bis zum Laden aufzuwenden ist, ist die Bilanz des einheimischen Apfels allerdings besser: Die23.000 Kilometer, die der neuseeländische Apfel übers Meer geschippert werden muss, sind eine Reise von gut vier Wochen. Das geht zu Lasten der Ökobilanz. Der deutsche Apfel hingegen wird in der Regel nur mal eben schnell in ein Lager nahe des Ernteortes gekarrt – wo er allerdings bis zu fünf Monate liegt.
Nun ist das High-Tech-Lager nicht zu vergleichen mit der Apfelkiste (Kennt die überhaupt noch jemand?) im privaten Keller. Moderne Lagerhallen sind eigentlich riesige Kühlhäuser, die die Äpfel unter Schutzgas und bei einer Temperatur von gerade mal einem Grad Celsius über Null halten. Dafür falle trotzdem nur etwa ein Drittel der Energie an, die der neuseeländische Apfel für den Reiseweg übers Meer nach Antwerpen (Belgien) benötige. Das letzte Stück des Weges aus dem Apfellager beziehungsweise von Antwerpen bis in den Supermarkt, zum Beispiel im Rheinland (wie im Rechenbeispiel von Wissensschaftler Blanke) fahren beide Äpfel mit dem LKW. Der importierte Apfel verbraucht dabei wieder etwas mehr Energie, bilanzierte Michael Blanke.
Ökobilanz: Deutscher Apfel verbraucht „nur“ ein Drittel weniger Energie als neuseeländischer Apfel
Unterm Strich komme der einheimische Apfel pro Kliogramm laut Blanke auf 4,74 Megajoule Energieverbrauch, der neuseeländische auf 6,35 Megajoule. „Es sind nicht einmal 30 Prozent mehr Energie, die die Importäpfel verbrauchen! Da war ich echt baff“, so wird der Agrarwissenschaftler in einem Bericht zur TV-Sendung Quarks&Co. (WDR) zitiert.
Verbraucher entscheidet: Einkauf per Auto macht bessere Ökobilanz des deutschen Apfels schnell zunichte
Und jetzt kommt’s: Wer klimabewusst den deutschen Apfel kauft und ihn nur anderthalb Kilometer mit dem Auto transportiere, erhöhe dessen Klimabilanz um genau das Drittel Energie, das der einheimische Apfel gegenüber dem neuseeländischen eingespart hätte, rechnen die Quarks&CO.-Kollegen vor. Denn auf dieser kurzen Strecke produziere das Auto genau die Menge des Treibhausgases CO2, die der regionale Apfel zuvor weniger als der neuseeländische auf die Klimawaage brachte. Es kommt also auf uns Verbraucher an, darauf, wie wir den Apfel vom Laden nach Hause transportieren: zu Fuß oder mit dem Auto!
2 Kommentare