Mit vier Kindern zwischen 4 und 13 Jahren ist bei uns immer was los. Von kleinen Reibereien bis zu ausgewachsenen Streits, bei denen es auch laut wird, ist unser alltägliches Zusammenleben geprägt. Denn das Zusammenleben von sechs Menschen ist ein Kompromiss, der Tag für Tag aufs Neue ausgemacht werden muss. Uns helfen dabei seit einer Weile Familienregeln, die ich euch heute vorstelle.
Liebe zwischen Geschwistern ist keine Sache, die einfach da ist – das habe ich als #motherof4 (und selbst Einzel- und Scheidungskind) inzwischen mit meinen Kindern gelernt. Liebe kann aufkommen und sich entwickeln. Muss aber nicht. Wir Eltern versuchen unseren Kindern zu zeigen, dass die Familie ein Ort der Sicherheit ist, des Rückzugs, der Verbundenheit. Ein Ort, wo jeder mit all seinen Ecken und Kanten, Macken und Ticks seinen Platz hat. Ein Ort, wo jedes Kind sein kann, wie es ist – ohne sich verstellen zu müssen. Wo es geliebt wird um seiner selbst willen – ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen.
Wir wünschen uns, dass die Kids einander respektieren, einander helfen und füreinander einstehen. Im Laufe der Jahre habe ich als selbst geschwisterunerfahrene #motherof4 eine Menge Situationen erlebt, die meine Gefühlswelt erschütterten: sowohl im Guten als auch im Schlechten. Ich hatte und habe immer wieder kribbelnde Gänsehautmomente, wenn die von uns für diese Welt gemachten Geschwister sich ihre Zuneigung und Liebe zeigen. Und mir standen und stehen nach wie vor die Haare zu Berge, wenn Wut, Verzweiflung, Neid und Missgunst gegen Geschwister gerichtet werden. Letzteres lässt mich nicht selten aus der Haut fahren.
In einer kleinen Wohnung wie der unseren – drei wie zwei Zimmer auf 67 Quadratmetern verteilt, aber immerhin noch recht familientauglich geschnitten – ist es nicht nur eine logistische, sondern auch eine emotionale Herausforderung, sechs Charakteren ein Zuhause zu bieten. Viel Platz für stillen Rückzug ist da nicht. Begegnungen von gut mit weniger gut bis mies gelaunten Menschen, von müden mit wachen, von lachenden mit weinenden, von ruhigen mit lauten, von traurigen mit fröhlichen, von satten mit hungrigen, von erschöpften mit fitten sind dagegen ständig angesagt. Diese Begegnungen sind der Stoff unserer Familiengeschichte. Sie machen unser Familienleben, sie machen uns aus. Sie kosten Energie – jeden von uns. Jeden Tag. Und jede Nacht.
Doch Reibungslosigkeit würde ein Nebeneinander bedeuten, nicht ein Miteinander. Deshalb haben wir Familienregeln, die helfen sollen, dass niemand in der Familie aufgerieben wird oder ein anderes Familienmitglied aufreibt. Diese Familienregeln will ich euch hier vorstellen. Mit diesem Regelwerk, das selbstverständlich für uns alle Sechs gilt, zeigen wir Werte auf, die wir in unserer Familie schätzen oder schätzen lernen wollen. Sie sind ein Band, das uns als Familie verbindet.
Wir haben sie bei uns an die Wohnzimmertür geheftet – von uns allen unterschrieben:
Unsere Familienregeln – die Liste
- Wir reden nicht schlecht über den anderen und auch nicht schlecht (wie reden, was reden) mit ihm.
- Wir beleidigen einander nicht.
- Wir lachen miteinander, nicht übereinander.
- Wir entschuldigen uns, wenn eine Entschuldigung fällig ist.
- Wir verzeihen.
- Wir suchen immer zuerst das Gute im Anderen, nicht das weniger Gute.
- Wir versetzen uns in des Anderen Lage, bevor wir ihn beurteilen.
- Wir sagen einander Positives und Negatives in ruhigem unaufgeregten Ton.
- Wir nehmen Positives und Negatives von anderen an und setzen uns damit auseinander.
- Wir drohen einander nicht.
- Wir schreien uns nicht an.
- Wir tun einander nicht weh, weder mit Worten noch mit Taten.
- Wir hören einander zu.
- Wir schauen uns beim Miteinanderreden in die Augen.
- Wir fragen einander nach dem Wohlbefinden und bieten Hilfe an, wenn wir fühlen, jemand braucht unsere Hilfe oder kümmern uns, dass Hilfe von anderer Seite kommt.
- Wir helfen einander und fragen, ob jemand Hilfe braucht (Angebot) oder einem helfen kann (Nachfrage).
- Wer um Hilfe gebeten wird, hilft ohne Aufschub, Widerspruch und Murren.
- Wir kümmern uns möglichst zuerst um die Bedürfnisse jüngerer Geschwister, dann um uns.
- Wir teilen Freud und Leid.
- Will jemand einmal seine Ruhe, gönnen wir sie ihm.
- Wir halten uns freiwillig an die Regel „Lebensjahr x 10 Minuten“ tägliche Medienbenutzung.
- Wir machen alle Hausarbeit. Dazu gehört, dass jeder wenigstens einmal am Tag fragt, was zu tun ist und ob er was tun kann.
Was wir tun, wenn gegen die Familienregeln verstoßen wird
Wer Familienregeln aufstellt, sollte – das fordern schon die Kleinsten ein – auch eine Regelung dafür haben, wie mit Regelverstößen umgegangen wird. Wir regeln Verstöße gegen unsere Familienregeln so (der Satz steht mit auf dem Papier, das alle unterschrieben haben):
Wer gegen die Familienregeln verstößt, muss für jeden Verstoß einen Tag lang (idR ab dem Folgetag) auf PC, PSP, iPad & TV verzichten (Ausnahme: Hausaufgaben).
Die ersten Wochen mit Familienregeln
Inzwischen sind die ersten Wochen mit den von uns aufgestellten Familienregeln vergangen. Es gab eine Reihe von Verstößen, die in eine Mediendiät mündeten. Die Kinder achten hier sehr darauf, dass die Verstöße konsequent geahndet werden (natürlich nur die der anderen jeweils), wobei weniger Regelverstöße “angezeigt” werden, als ich dachte.
Wir haben vereinbart, regelmäßig nachzufragen, ob sich mit der Einführung unserer Familienregeln im Zusammensein etwas zum Positiven verändert hat. Schließlich war es ja unser aller Ziel, die Schärfe, mit der wir einander teilweise begegne(te)n, zu entschärfen.
Spannend war übrigens, als wir die Regeln zusammengetragen haben, dass selbst schon Nummer 4 deren Bedeutung erkannte und anmerkte, dass wir unsere Familienregeln unbedingt Besucherkindern mitteilen müssten – am besten sofort. Das haben wir natürlich nicht gemacht, aber wir haben Nr. 4 versichert, auch wenn Besuch da ist, auf die Regeln zu achten.
Wie regelt ihr den Ablauf eures Familienlebens? Schreibt mir – ich bin gespannt!
Fotos: Doreen Brumme
Guten Tag Frau Brumme,
Ihre Aufstellung ihrer Familienregeln finde ich super vorallem auch bei Verstößen die Konsequenzen.
Eine Frage hier zu, haben sie das einmal mit allen besprochen oder sind die Regeln irgendwo aufgezeichnet, gemalt oder?
Moin, Frau Klingler!
Die Regeln haben wir mit allen besprochen (“verhandelt”), formuliert, ausgedruckt, von allen unterschreiben lassen und an die Tür vom Wohnzimmer gehängt. Viele Grüße, Doreen Brumme