Zwischenfrage_Esskultur_Esskult

Kurze Zwischenfrage: Esskultur – wie viel Esskult ist gesund?

Mit Bedacht stelle ich hier heute die Frage „Wie viel Esskult ist gesund?“ und nicht „Welcher Esskult ist gesund?“. Gleichwohl auch die Frage nach der gesunden Ernährungsweise eine sehr spannende ist. Nein, mir geht es heute tatsächlich um die Diskrepanz, die ich sehe, wenn ich die Qualität unserer Nahrungsmittel einerseits betrachte und andererseits das Brimborium an Kult und Kultur darum, das wir mitunter betreiben. Ich finde, hier herrscht ein großes Ungleichgewicht. Das „was wir essen“ passt nicht mehr zum „wie wir essen“.

Immer wieder lese ich, dass der Preis über die Qualität geht, wenn wir uns Für oder Wider den Kauf eines Lebensmittels entscheiden. Ich will hier auch nicht alle Verbraucher über einen Kamm scheren oder diejenigen verurteilen, die beim Einkaufen ihres Essens auf jeden Cent achten (müssen oder wollen), ganz gleich aus welchen Gründen auch immer. Nein, mir geht es eher darum, herauszufinden, warum uns unser Essen nicht so viel wert zu sein scheint, wie unsere Esskultur.

Dass dem so ist, habe ich zum vergangenen Fest der (Fress)Feste – Weihnachten – live erlebt. Ich war eingeladen. Zum Essen. Eine schöne Gelegenheit, mit meinen Freunden zusammen zu sein und Traditionen wie das gemeinsame Essen am zweiten Feiertag zu pflegen, kurz: ein kulturelles Highlight in unserer Freundschaft und unserem Freundeskreis.

Der diesjährige Gastgeber (wir wechseln uns von Jahr zu Jahr ab) hatte sich viel Mühe gegeben: beim Kochen des Festmahls und beim Herrichten der Festtafel. Daran besteht kein Zweifel. Der Klassiker unter den Weihnachtsmenüs „Gänsebraten mit Klößen, ausreichend Soße (ganz wichtig!) und wahlweise Rotkohl oder Rosenkohl“ schmeckte, keine Frage. Und die Tischdekoration zeugte von erlesenem Geschmack und hatte sicher auch ihren Preis.

Als ich die zugegeben provokante Frage nach der Herkunft der Essenszutaten stellte, erfuhr ich, dass die Gans tiefgekühlt aus dem Supermarkt kam und der Koch nicht wusste, aus welchem Land sie stammte. Nun habe ich mich als Bio-Journalist bereits näher mit dem Thema „Gänsebraten“ beschäftigt. Ich weiß, dass das Stopfen der Tiere als Mästmethode in einigen Produzentenstaaten bis heute Gang und Gäbe ist. Als ich fragte, warum man denn nicht bewusster eingekauft hätte, gab es darauf keine klare Antwort. Es lag nicht an der Unerreichbarkeit regionaler oder Bio-Gänse. Auch nicht an deren „(Un)Bezahlbarkeit“. Bequemlichkeit möchte ich meinen Gastgebern auch nicht unterstellen, sie hatten offensichtlich weder Kosten noch Mühen gescheut, um einen festlichen Weihnachtsabend auf die Beine zu stellen. Vielmehr schien es, als wären sie gar nicht auf die Notwendigkeit einer alternativen Idee zur Supermarktgans gekommen.

Die Entscheidung für die Zutaten aus dem Supermarkt – wohlgemerkt: ohne das wohlwollende Prüfen deren Herkunft durch Studieren der Angaben auf der Verpackung – erfolgte unbewusst. Obgleich meine Gastgeber und Freunde aus meiner Sicht selbst- und sich der Realität bewusst leben. Die Entscheidung für die Tischdeko fiel dagegen ganz bewusst, wie sich aus dem Gespräch ergab. Hier spielten Stil und Farbe, Herkunft und Material (kein Plastik!) eine große Rolle.

Das ist nur ein Beispiel von vielen. Und ich kehre gerne auch vor meiner eigenen Tür. Silvester war ich in einem Restaurant. Unserem „Familienrestaurant“. Und ganz ehrlich, dort habe ich auch noch nie nach der Herkunft der Speisen gefragt – ich verlasse mich auf die Hinweise in der Speisekarte (regionale Lieferanten).

Grafik: Doreen Brumme

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