Der bepflanzte Balkon ist für viele Menschen, vor allem Großstädter, ganz gleich, ob jung oder alt, mit oder ohne Kind, überarbeitet oder arbeitslos beziehungsweise nicht mehr arbeitend, vom Gartenfach oder Laie, das für das Leben entscheidende Stückchen Grünfläche, das nach Lust und Laune beackert werden kann. Das eigene Fleckchen Erde sozusagen, von vielen liebevoll auch “Balkonien” genannt. Doch ist der mit viel Liebe, Geld und Trinkwasser begrünte Balkon ökologisch betrachtet tatsächlich „grün“?
Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin selbst begeisterter Hobbygärtner und Balkonbegrüner. Ich weiß also, dass ich mit den folgenden Betrachtungen am Ast säge, auf dem ich sitze. Aber: Hin und wieder plagt mich mein ökologisches Gewissen, insbesondere im Frühjahr, wenn ich den einen oder anderen Euro für Bio-Samen und Pflänzchen ausgebe. Oder dann, wenn ich Gießkanne für Gießkanne sauberes Trinkwasser aus dem Bad auf den Balkon schleppe. Doch der Reihe nach.
Die Balkon- und Gartenindustrie steht bereit
Unsere konsumorientierte Gesellschaft hat mir zuliebe, also eigentlich wegen meiner Liebe zu meinem Balkon – hier: sinnbildlich für Natur – eine riesige Industrie aufgestellt. Allein die Millionen Pflänzchen – hierzulande nach wie vor am liebsten Geranien und Petunien, wie der NABU bemerkt, die ich aber links liegen lasse, weil ich mehr auf Kräuter, Obst und Gemüse stehe – die leider oft bei reichlichem Einsatz der unterschiedlichsten Pestizide in hochgeheizten Gewächshäusern herangezüchtet werden, sind ökologisch wohl eher eine Katastrophe.
Hinzu kommt das marktwirtschaftlich perfekte Drumherum: Selbstverständlich wurde neben dem zur Begrünung des kahlen Balkons nötigen Grünzeug alles Erdenkliche an Nützlichem und Nutzlosem (aber Schönem!) für den Balkon-Gärtner ersonnen: Handwerkszeug, Deko-Artikel, Möbel. Und nicht nur das: Die ganze Gartenindustrie ist selbstverständlich auch dem schnelllebigen Diktat der Mode unterworfen: Saison für Saison kommen die unzähligen Pflanzen und Neben-Produkte in neuen Farben, neuen Formen und nicht selten auch zu neuen Preisen auf den Markt.
Mein Balkon ist auch Schulgarten
Als naturbewusster Familienmensch diente mir der Balkon lange Zeit nicht nur dem eigenen Vergnügen, sondern auch als Begegnungsstätte meiner Kinder mit der Natur. An den für unsere Breiten geläufigen Himbeerstöcken, dem Stachelbeerbäumchen, den Erdbeeren, alles seit Jahren gehegt und gepflegt, sowie den alljährlich neu erworbenen Tomatenpflanzen und auch mal aus Samen gezogenen Karotten sehen die Kids, wie ihr Essen Tag für Tag wächst und gedeiht. Und welche Mühe Zuwendung und Pflege machen. Aus Platzgründen habe ich dieses Jahr unseren Balkon Großteils entgrünt. Dennoch beobachten wir zur zur Blütezeit den Landeanflug unzähliger Insekten und füttern im Winter eine Meisenfamilie durch. Aus diesem Blickwinkel verleihe ich mir und meinem Balkon das Prädikat „Pädagogisch wertvoll“ in Bezug auf Biologie und Ernährungswissenschaft.
Mein Balkon ist Insektenhotel
Mein Balkon ist demzufolge mitten in der Stadt Hamburg Lebensraum heimischer Arten. Das klingt doch schon mal ganz grün, oder? Doch rundum ökologisch wertvoll ist mein Balkon damit noch lange nicht. Das wäre er laut Experten erst, wenn ich eine Art Wildgarten anlegte, mit Wildpflanzen, die mehrjährig und winterfest sind. Habe ich nur teilweise. Die Erde eines Bio-Balkons dürfte keinesfalls mit Torf versetzt sein, denn der stammt aus Mooren, die beim Torfabbau unwiderbringlich zerstört werden. Doch halt, darauf habe ich schon geachtet: Ich habe meine Erde bei meinem Lieblingsgärtner in der Hamburger Schanze gekauft und nach und nach mit Erde aus dem Hinterhofgarten ergänzt … Ich lasse die Hände weg von herkömmlicher Erde aus dem Supermarkt! Guten Rat für den Einkauf torffreier Erden findet man übrigens beim BUND auf der Homepage.
Bleibt noch der wichtige Punkt: die Bewässerung. Pflanzen auf dem Balkon leben in einer speziellen Situation, denn sie haben immer nur die Erde und das Wasser in dem Topf zur Verfügung, den wir ihnen einräumen. Sie brauchen entsprechend aufwändigere Zuwendung. Vor allem die Unmengen Trinkwasser, die wir zur Bewässerung herbeischleppen – es soll auch Leute geben, die einen Wasseranschluss auf dem Balkon haben oder sich vom Hahn im Bad einen Schlauch zum Balkon legen – schlagen negativ auf die Klimabilanz.
Da sollte man als umweltbewusster Balkongärtner schon darauf achten, Pflanzgefäße mit Wasserreservoir anzuschaffen, die ausreichend groß sind, um ein Minimum an Feuchtigkeit bereitzustellen. Spezielle Bewässerungssysteme unterstützen beim wassersparenden Bewässern ebenso wie die taktisch kluge Anordnung der Balkonpflanzen auf dem Balkon, so dass diese noch den einen oder anderen Regentropfen auffangen.
Foto: Doreen Brumme