regional, fair oder bio: alles oder keins?

Heute frage ich aus einem persönlichen Dilemma heraus Euch: Worauf achtet Ihr beim Kauf Eurer Lebensmittel? Auf das Aussehen? Darauf, dass Obst und Gemüse gerade Saison haben? Auf die Frische? Den Preis? Auf die ökologische Qualität? Darauf, dass die Lebensmittel fair gehandelt werden? Auf die Herkunft der Waren? Zieht Ihr regional Produziertes vor? Also ich achte möglichst auf alles. Doch so langsam weiß ich nicht mehr, wie ich die Kriterien beim Beurteilen der Qualität gewichten soll.

Zum Thema „aus der Region“ bringt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Emnid, die das Bundesverbraucherministerium in Auftrag gab, Licht in unser Kauf-Verhalten: Ihr zufolge achte immerhin jeder zweite Verbraucher beim Einkauf auf Lebensmittel aus der Region. Den Umfrageergebnissen nach seien fast vier Fünftel (79 Prozent) der Befragten bereit, für regionale Lebensmittel mehr Geld zu bezahlen: 10 Prozent deutlich mehr, die anderen etwas mehr. Aber mal ehrlich, was heißt das schon? Schließlich ergab die Befragung auch, dass noch nicht einmal ein Fünftel der Umfrageteilnehmer sich über die Herkunft regionaler Lebensmittel verlässlich informiert fühle. Von der Verlässlichkeit der anderen Angaben zur Qualität eines Produkts und mein Vertrauen als Verbraucher in diese – die vom Hersteller oder Händler stammen – beziehungsweise den Vorschuss darauf, den der Laden von mir erwartet, mal ganz zu schweigen.

Gerade noch fühlte ich mich als Loha sicher und kaufte „bio“. Dann zog ich faire Bio-Produkte vor, denn fair gehandelt umfasst auch sozio-ökonomische Aspekte. Doch schon bezeichnet die Presse „regional“ als das neue „bio“. Da frage ich mich als umweltbewusster Verbraucher, der dies auch weiterhin bleiben will, doch ernsthaft, wie ich die einzelnen oben angedeuteten Qualitätskriterien nun wieder neu gewichten soll. Nur ein Beispiel:  Sollte „bio“ für meine Kaufentscheidung wichtiger als „regional“ sein? Oder zählt weder das eine noch das andere, wenn der in Neuseeland herkömmlich angebaute knackig grüne Apfel „Granny Smith“ der einzige im Obstregal ist, der mir Gaumenfreude bereitet (ich mag nun mal nur harte, knackige, säuerlich-süße Apfel und ganz und gar nicht mehlige oder gar mulchige) – und der mit 1,99 Euro pro Kilo zudem auch noch bezahlbar ist?

Will ich ein sogenannter Nah-Esser oder Locavor werden – oder nicht? Damit schütze ich vielleicht Arbeitsplätze hierzulande, oder? Entscheide ich mich beim Kauf vor allem für Produkte aus der Region, muss ich zunächst für mich festlegen, was meine „Region“ umfasst. Noch ist der Begriff ungeschützt und dehnbar. Zählt zu meiner Region ganz Deutschland  oder nur mein Stadtstaat Hamburg mit dem Alten Land als buchstäblicher „Vorgarten“? Ganz Europa?

Gut. Für die Nähe der Produktionsstätten beziehungsweise Anbaugebiete zu meinem Wohnort spricht die auf den ersten Blick bessere Klimabilanz der dorther stammenden Lebensmittel: kurze Transportwege verbrauchen weniger CO2. Stimmt. Aber ein Apfel aus dem alten Land ist nur klimafreundlicher, wenn er nicht gelagert werden musste. Andernfalls nehmen sich importierter und lokaler Apfel nicht viel in Sachen CO2-Fußabdruck. Das haben Studien längst gezeigt. Und selbst wer zum „Bio“-Apfel aus dem Alten Land greift, zerstört der dessen gutes Klimazeugnis nicht damit, dass er zum Supermarkt mit einem Auto gefahren ist? Ist dann ein Paket Bio-Obst und Bio-Gemüse von einem Biokisten-Lieferant klimafreundlicher, auch wenn es nicht in meiner Region gepackt wurde?

Ich bin bei jedem Besuch des Supermarktes, Wochenmarktes (gute Quelle für Regionales!) oder beim Gemüsehändler um die Ecke stets aufs Neue hin- und hergerissen: Ich habe beim Einkaufen zwar Grundsätze, doch zugegeben: Denen handele ich regelmäßig zuwider. So bevorzuge ich “bio“, wenn ich die Wahl zwischen „bio“ und „herkömmlich“ habe, also meist bei Bio-Kartoffeln, Bio-Olivenöl oder Bio-Milch. Doch wenn es die von mir heiß geliebten Sherry-Tomaten nicht in Bio-Qualität gibt, kaufe ich eben andere. Ich achte dabei auf Saisonales: Erdbeeren gibt’s, wenn die köstlichen Früchte hier in Norddeutschland Saison haben. Früher kaufte ich Erdbeeren immer beim Erdbeerhäuschen „Glantz“, doch in diesem Jahr schmeckten mir auch die deutschen Erdbeeren aus dem Supermarkt.

Überhaupt greife ich seit der Renovierung desselben immer häufiger zu dem dort neuerdings appetitlich angerichteten Grünzeug. Ich kenne die Mitarbeiter inzwischen und werde stets freundlich bedient, sogar dann, wenn ich nach etwas frage, was gerade nicht vorne ausliegt. Schließlich spielt mein Vertrauen in den Handel/Händler eine wichtige Rolle bei der Kaufentscheidung. Und den Weg zum Supermarkt erledige ich zu Fuß und hinterlasse damit nur eine kleine CO2-Spur.

Ich merke, dass ich eine Menge Denk-Energie in die umweltbewusste Kaufentscheidung investiere. Ich produziere dabei im wahrsten Sinne des Wortes Treibhausgase, weil mir der Kopf vom Für-und-Wider-Abwägen manchmal raucht. Ich versuche also zu Lasten meiner Lebensenergie, meines Lebenszeitkontos, meiner endlichen, nicht erneuerbaren Ressourcen jedes Mal bewusst einzukaufen. Das ist für mich der einzig gangbare Weg zur Kasse. Der mich aber – wenn auch nicht sofort und dort vor Ort – vielleicht auch teuer zu stehen kommt.

Foto: Doreen Brumme

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